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Filmtext

Zyklus des Lebens

Die Gebetsrufe des Muezzin gliedern Reha Erdems Filmpoem „Beº Vakit“ (Zeiten und Winde) in die Zeitenfolge Nacht, Abend, Nachmittag, Mittag und Morgen. Doch der umgekehrte Tageszyklus aus der Dunkelheit ans Licht umhüllt alle Hoffnung mit Melancholie. Gleichförmig und der Zeit enthoben erscheint das Leben in dem kleinen türkischen Dorf hoch über dem Meer. Dem Wechsel der Jahreszeiten und Generationen folgend, geht hier alles seinen gewohnten Gang. Nichts scheint sich zu verändern in dem dörflichen Mikrokosmos, der ein tiefes Abbild des Lebens selbst ist. Im Bann einer übermächtigen Tradition folgt das Zusammenleben der Bewohner unerschütterlichen, fast archaischen Regeln. Die Gebete bestimmen den Tagesrhythmus dieser bäuerlichen Kultur auf kargem Grund und steinigen Böden; ein Männerrat bespricht die anstehenden Aufgaben der Gemeinschaft, die ihre Lehrerin mit Naturalien bezahlt; und die Väter sind noch immer und weiterhin die autoritären Despoten der Familie.



Dies bekommen vor allem die Kinder zu spüren, die im Mittelpunkt des Films stehen. So leidet der etwa 12-jährige Ömer besonders unter seinem herrischen Vater, der zugleich der Imam des verwinkelten Ortes ist. Der schweigsame Junge fühlt sich gegenüber seinem jüngeren Bruder Ali zurückgesetzt und reagiert darauf mit Kränkung, aber auch mit Zorn. Insgeheim trachtet er seinem lungenkranken Vater nach dem Leben und ersinnt Mittel und Wege, dessen Tod herbeizuführen. Auch sein Freund und Blutsbruder Yakup wird zu Hause gegängelt, doch sein träumerischer Fluchtpunkt ist die heimliche Liebe zu seiner jungen, schönen Lehrerin, deren Unterricht zwischen naturkundlichen Lesestücken und patriotischen Liedern gespannt ist. Die stille Yildiz wiederum wird zur häuslichen Arbeit angehalten und übt sich dabei schon einmal in der zugewiesenen Geschlechterrolle.



Immer wieder folgt die Kamera aus einer subjektiven, zwischen Nähe und Distanz changierenden Perspektive den Kindern, ihren Leiden und Träumen. Wir sehen die Welt aus ihren Augen und bleiben doch an ihren Rücken und abgewandten Gesichtern haften, in ihrem Schweigen gefangen. In der Natur, die Reha Erdem atmosphärisch und stimmungsvoll in Szene setzt, finden die Heranwachsenden ihre Refugien. Unter Laub und Gräsern schlafend, scheinen sie mit den Elementen zu verschmelzen. Aus solch meditativen Bildern spricht zugleich der Tod als natürlicher Begleiter des Lebens. Zwischen diesen beiden Polen erzählt Erdem ruhig, genau und ohne zu werten von dem, was ist: vom Kreislauf des Lebens.

 



(Heidelberg, Karlstorkino, 16.1., 20 Uhr; 19.1., 22.15 Uhr)





8. Januar 2009

 


Wolfgang Nierlin

Medienforum Heidelberg e.V.
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